Erst vor knapp einem Jahr hatte Klaus D. die Fassade seines Hauses neu streichen lassen. Nun prangen zwei bunte Graffiti auf der hellbeigen Wand. Zum sechsten Mal innerhalb von wenigen Jahren wurde seine Immobilie besprüht. Der Eigentümer ist wütend und hilflos zugleich. Reinigungsversuche waren bislang erfolglos, mehrere tausend Euro hat Klaus D. mittlerweile für Neuanstriche der Fassade ausgegeben.
Berlin. Klaus D. ist kein Einzelfall. „Je dichter die Bebauung in der Stadt ist, umso größer die Gefahr von Graffiti. Die Bebauung bietet den Sprayern Deckung“, berichtet Karl-August Siepelmeyer vom Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz. „Ganz schwierig ist die Situation dort, wo es eine Sprayerszene gibt, die dann einen Sport daraus macht, die größten und schönsten Werke zu produzieren.“ Wie groß der Schaden ist, der dadurch alljährlich in Deutschland entsteht, dazu gibt es nur grobe Schätzungen. Die belaufen sich auf 200 bis 500 Millionen Euro. Meist bleiben die Eigentümer auf diesen Kosten sitzen.
Sachbeschädigung gemäß § 303 Absatz 2 StGB
Durch Graffiti wird das Erscheinungsbild der Immobilie in nicht unerheblichem Maße verändert. Damit ist der Straftatbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Das Gesetz sieht dafür einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vor. Ist ein Sprayer strafrechtlich verurteilt, so kann der betroffene Eigentümer Schadensersatzansprüche geltend machen. In der Praxis scheitern Ermittlungsverfahren häufig jedoch daran, dass nicht eindeutig bewiesen werden kann, wer ein konkretes Graffito erstellt hat. Diese Erfahrung hat auch Klaus D. gemacht. Er hat Anzeige erstattet, das Verfahren wurde eingestellt.
Vorbeugende Beschichtungen sind möglich – und haben Nachteile
Wer eine Immobilie sein Eigen nennt, in deren Umfeld häufiger gesprayt wird, der mag über einen vorbeugenden Fassadenschutz mit einer Microwachs-Emulsion nachdenken. „Wenn auf diesen Flächen Graffiti aufgebracht sind, können diese mit einem Hochdruckwäscher entfernt werden“, erklärt Malermeister Siepelmeyer. Dabei wird allerdings die Schutzschicht mit abgewaschen und muss anschließend erneuert werden. Die Alternative ist, die Fassade mit einem farblosen permanenten Schutzsystem aus 2K Polyurethan zu beschichten. Von diesem Material können Graffiti abgewaschen oder ebenfalls mit einem Hochdruckreiniger entfernt werden.
In beiden Fällen darf das Reinigungswasser nicht in die normale Kanalisation gelangen. Eigentümer von Fassaden aus Naturstein müssen vor der Ausführung einer Anti-Graffiti-Beschichtung unbedingt eine Fachberatung in Anspruch nehmen, da ein für den Untergrund geeignetes Material verwendet werden muss. Unterm Strich sind die Vorbeugemaßnahmen also mit erheblichem Aufwand und mit Nachteilen verbunden. „Die Verfahren sind auf gestrichenen Fassadenflächen so wenig befriedigend, dass die meisten Eigentümer lieber zum Farbeimer greifen und die ungewollten Graffiti überstreichen“, bilanziert der Experte.
Übermalung der Bemalung
Eigentümer in Bremen und anderen Kommunen setzen daher auf eine ungewöhnliche Strategie: Sie engagieren Künstlergruppen, die ihre Wände mit dem Einverständnis und nach den Vorstellungen der Eigentümer in einzigartige, oftmals bunte Flächen verwandeln. „Wir beobachten, dass illegale Sprayer davor zurückschrecken, die Werke anderer Sprayer zu übersprühen“, erläutert Ingmar Vergau, Geschäftsführer von Haus & Grund Bremen. „Das funktioniert allerdings nur, wenn man einen Sprayer mit der Fassadengestaltung beauftragt, der in der Szene einen Status hat.“
New Yorker Gericht: Eigentümer muss Sprayern 6,7 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen
Der Immobilieninvestor Jerry Wolkoff hat Graffiti-Künstlern mehr als 20 Jahre lang erlaubt, die Wände eines früheren Lagerhauskomplexes zu besprühen. Aus dem „5Pointz“ im Stadtteil Queens wurde ein Mekka für Sprayer und ein Touristenmagnet. 2013 ließ der Eigentümer die Wände des Komplexes mit weißer Farbe übermalen, anschließend den Gebäudekomplex abreißen und auf dem Grundstück Luxuswohnungen errichten. 21 Künstler zogen vor Gericht. Der Eigentümer habe ihnen keine Zeit gegeben, die Kunstwerke zu retten. Das sahen die Jury und der Richter genauso. 45 der 49 zerstörten Werke hätten einen anerkannten Rang als Kunst gehabt. Die Sprayer erhalten nun 6,7 Millionen Dollar Schadensersatz.
Können Eigentümer die Kosten für die Beseitigung von Graffiti als Betriebskosten umlegen?
Das Amtsgericht Berlin-Mitte differenzierte in seinem Urteil vom 27. Juli 2007 (Az. 11 C 35/07) zwischen Hausreinigungskosten und Instandsetzungskosten: Wenn die Substanz des Gebäudes verletzt ist, entstehen danach bei der Beseitigung nicht umlagefähige Instandhaltungskosten. Verletzt die Malerei dagegen die Substanz nicht, so sei die Beseitigung eine Reinigungsarbeit, deren Kosten auf die Mieter umlegbar seien. Im strittigen Fall konnte der Mieter nicht belegen, dass es sich nicht nur um Kosten für die Reinigung der Wände im Rahmen umlagefähiger Hausreinigungskosten handelte. Der Vermieter konnte seinerseits glaubhaft vortragen, dass die Wände regelmäßig monatlich durch Graffiti verunreinigt und die Verschmutzungen quartalsweise entfernt werden.
Ähnlich urteilte das Amtsgericht Berlin-Neukölln (Az. 6 C 54/16): Wenn regelmäßig unerwünschte Gemälde von der Häuserwand entfernt werden müssen, können die Ausgaben zu den sonstigen Betriebskosten gezählt werden. In dem verhandelten Fall hatte eine Vermieterin erstmals im Jahr 2011 Kosten für die Entfernung von Graffiti als Betriebskosten abgerechnet und auch in den folgenden Jahren bis einschließlich 2014 auf die Mieter umgelegt. Diese hatten bis dahin auch nicht widersprochen. Dadurch hätten die Mieter die zusätzlichen Kosten quasi vereinbart – ohne dass sie ausdrücklich im Mietvertrag genannt wurden, so die Argumentation der Richter.
Auf den Aspekt der Regelmäßigkeit hob das Landgericht Kassel (Urteil vom 14. Juli 2016, Az. 1 S 352/15) ab. Die dortigen Richter entschieden, dass die Kosten für die Beseitigung von Graffiti zumindest dann nicht als Kosten für die Gebäudereinigung gemäß § 2 Nummer 9 Betriebskostenverordnung durchgehen und damit umgelegt werden könnten, wenn sie nicht regelmäßig anfielen. Das war im konkreten Fall nicht gegeben.
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 19. Februar 2016, Az. 63 S 189/15) hingegen urteilte, die Beseitigung von Graffiti sei grundsätzlich als Instandhaltung und Instandsetzung zu betrachten. Die Kosten dafür seien nicht auf die Mieter umlegbar. Dabei spiele es keine Rolle, ob sie regelmäßig anfielen oder nicht. Diese Auffassung vertrat auch das Amtsgericht Köln (Urteil vom 22. Mai 2000, Az. 222 C 120/99).
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.