Immobilie verkaufen: Wie umfassend müssen Käufer informiert werden?

Immobilie verkaufen: Wie umfassend müssen Käufer informiert werden?

Der Verkäufer einer Immobilie muss den Kaufinteressenten über Fakten zum Objekt aufklären, welche für die Kaufentscheidung wichtig sind. Dazu gehören zum Beispiel Beschlüsse der Eigentümerversammlung über anstehende Sanierungsmaßnahmen. Aber reicht es, diese Unterlagen kurz vor Vertragsabschluss in einem virtuellen Datenraum hochzuladen?

Sanierungsbedürftig: Das Ihme-Zentrum in Hannover-Linden hat schon bessere Tage gesehen.

Der Verkäufer einer Immobilie muss den Kaufinteressenten über Fakten zum Objekt aufklären, welche für die Kaufentscheidung wichtig sind. Dazu gehören zum Beispiel Beschlüsse der Eigentümerversammlung über anstehende Sanierungsmaßnahmen.  Aber reicht es, diese Unterlagen kurz vor Vertragsabschluss in einem virtuellen Datenraum hochzuladen?

Karlsruhe. Wer eine Immobilie verkauft, muss dem Kaufinteressenten zahlreiche wichtige Informationen über das Objekt zur Verfügung stellen. Bei Wohnungseigentum bzw. Sondereigentum gehören dazu auch die Protokolle vergangener Eigentümerversammlungen, aus denen sich unter anderem auch geplante Sanierungsmaßnahmen und die dadurch auf den Käufer zukommenden Kosten ergeben. Dabei reicht es nicht, diese Dokumente kurz vor Vertragsschluss über einen virtuellen Datenraum dem Kaufinteressenten zur Verfügung zu stellen.

Das gilt zumindest solange, wie man den Käufer nicht darauf hinweist, dass neue Dokumente hochgeladen wurden. Denn der Verkäufer kann bei solch einem Vorgehen nicht einfach davon ausgehen, dass der Kaufinteressent die Dokumente zur Kenntnis genommen hat. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Urteil vom 15.09.2023, Az.: - V ZR 77/22) und damit deutlich gemacht, dass Verkäufer es sich mit der Erfüllung ihrer Informationspflichten nicht zu einfach machen dürfen.

50 Millionen Euro Sanierungskosten verschwiegen?

Das Urteil fiel im Streit um das Ihme-Zentrum in Hannover. Dabei handelt es sich um einen riesigen Hochhauskomplex aus den 70er Jahren, der Eigentumswohnungen mit insgesamt mehr als 58.000 Quadratmetern Wohnfläche, Büros und Ladenlokale mit 60.000 Quadratmetern Verkaufsfläche beherbergt. Der Komplex gilt heute als marode, alle Ladenlokale stehen leer. Dennoch kaufte eine Firma im Jahr 2019 mehrere Gewerbeeinheiten in dem Objekt und gab 1,5 Millionen Euro dafür aus.

Die Verkäuferin hatte im Kaufvertrag versichert, die Eigentümergemeinschaft habe keine Beschlüsse über eine zukünftig zu erhebende Sonderumlage gefasst. Es gäbe nach ihrem Kenntnisstand auch keine bevorstehenden außergewöhnlichen Sanierungen, die nicht aus der bestehenden Instandhaltungsumlage bezahlt werden könnten. Der Vertrag hält außerdem fest, die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre seien der Käuferin übergeben worden und die Firma kenne deren Inhalt.

Wichtiges Dokument erst drei Tage vor Kaufabschluss hochgeladen

Die Unterlagen hatte die Verkäuferin der Firma vor dem Kauf der Gewerbeflächen in einem virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt, den sie dafür eingerichtet hatte. Nur das Protokoll einer Eigentümerversammlung aus dem Jahr 2016 lud man hier erst drei Tage vor dem Vertragsabschluss hoch. Dieses Protokoll hat es jedoch in sich: Daraus geht hervor, dass für Instandhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum Kosten in Höhe von 50 Millionen Euro auf die neue Eigentümerin der Gewerbeflächen zukommen könnten.

Die Sache landete vor Gericht, weil die Mehrheitseignerin nicht zahlen wollte. Es kam letztlich zu einem Vergleich, der eine Sonderumlage für die Eigentümer der Gewerbeeinheiten im Ihme-Zentrum vorsieht. Auch damit konnte die Firma allerdings nicht leben. Sie zog nunmehr vor Gericht, um den Kaufvertrag anzufechten. Das fragliche Protokoll sei ohne weiteren Hinweis gewissermaßen klammheimlich in den Online-Datenraum nachgeschoben und ihr damit gewissermaßen untergejubelt worden.

Verkäuferin droht Schadensersatz

Das sah der Bundesgerichtshof (BGH) ähnlich. Die Bundesrichter kippten das Urteil des Oberlandesgerichts, wonach die Käuferin in der Verantwortung gewesen sei, sich alle nötigen Unterlagen zu beschaffen. Karlsruhe stellte vielmehr fest: Die Verkäuferin hatte ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt, was die geplanten millionenschweren Sanierungsarbeiten betrifft. Solch bedeutsame Unterlagen erst drei Tage vor Vertragsabschluss in den Datenraum hochzuladen, ist nach Ansicht der Richter zu kurzfristig.

In so einer Situation konnte sich die Verkäuferin laut BGH nicht sicher sein, dass die Kaufinteressentin die Unterlagen noch rechtzeitig zur Kenntnis nehmen würde. Sie hätte deswegen darauf hinweisen müssen, dass sie noch ein weiteres Dokument hochgeladen hatte. Grundsätzlich kann man beim Bereitstellen von offenbarungspflichtigen Dokumenten in einem virtuellen Datenraum nicht einfach davon ausgehen, dass der Käufer sie auch wirklich zur Kenntnis nimmt, betonte der BGH.

Weiteres Ungemach droht der Verkäuferin für Ihre vertraglich festgehaltene Aussage, sie hätte keine Kenntnis von drohenden Sanierungskosten, die nicht durch die Instandhaltungsrücklage gedeckt seien. Die Bundesrichter formulierten vorsichtig, dass diese Aussage offenbar „zumindest unvollständig“ gewesen sein müsse und daher Schadensersatzansprüche gegen die Verkäuferin zu prüfen sind. Mit diesen Feststellungen überwies Karlsruhe den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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