Krankheit als Härtegrund: Eigenbedarfskündigung nur mit medizinischer Prognose zu beurteilen

Eine vermietete Eigentumswohnung kaufen um später selbst einzuziehen: Ein Plan, der unter Umständen einfacher klingt, als er umzusetzen ist. Denn er erfordert eine Eigenbedarfskündigung, gegen die sich der Mieter wehren kann, wenn er etwa aus gesundheitlichen Gründen einen Härtefall für sich geltend machen kann. Dabei müssen die Gerichte sehr genau hinsehen, wie ein Urteil jetzt zeigt.

Eine vermietete Eigentumswohnung kaufen um später selbst einzuziehen: Ein Plan, der unter Umständen einfacher klingt, als er umzusetzen ist. Denn er erfordert eine Eigenbedarfskündigung, gegen die sich der Mieter wehren kann, wenn er etwa aus gesundheitlichen Gründen einen Härtefall für sich geltend machen kann. Dabei müssen die Gerichte sehr genau hinsehen, wie ein Urteil jetzt zeigt.

Karlsruhe. Gerichte stehen bei der Beurteilung von Härtefällen bei Eigenbedarfskündigungen regelmäßig vor einer schwierigen Abwägung der berechtigten Interessen beider Seiten. Wenn es um gesundheitliche Härtegründe geht, muss auch eine Prognose über die gesundheitlichen Folgen eines Auszugs für den Mieter eingeholt werden – notfalls durch ein zusätzliches Gutachten. Das hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden (Beschluss vom 30.08.2022, Az.: VIII ZR 429/21).

Der Fall drehte sich um eine Eigentumswohnung in Wiesbaden, die seit dem Jahr 2002 an die heutige Mieterin vermietet ist. Im Jahr 2015 wechselte die Wohnung den Eigentümer. Nach Ablauf der dreijährigen Kündigungssperrfrist wollte der neue Eigentümer 2018 in seine Wohnung einziehen. Er kündigte der Mieterin wegen Eigenbedarfs. Doch die Mieterin widersprach: Sie machte eine immer weiter fortschreitende Erkrankung als Härtegrund geltend.

Mieterin leidet an MS: Räumungsklage zunächst erfolgreich

Die Dame leidet an Multipler Sklerose, die sich durch einen Umzug womöglich verschlimmern könnte. Dazu legte sie ein entsprechendes ärztliches Attest vor. Wessen Interessen wiegen in solch einem Fall schwerer? Keine leichte Abwägung für die Gerichte. Das Amtsgericht in Wiesbaden hörte Zeugen und holte ein Sachverständigengutachten ein. Der Gutachter, ein Psychiater, vermochte aber keine Prognose zur Entwicklung der Erkrankung abzugeben.

Daraufhin gab das Amtsgericht der Räumungsklage des Vermieters statt. Die Tatsache, dass die Mieterin nur noch eingeschränkt laufen kann, sei nicht ausreichend, um einen Härtefall zu begründen. Höchstens eine großzügigere Räumungsfrist ließe sich auf dieser Basis begründen. So sah es auch das Landgericht. Es hielt ein weiteres Gutachten für nicht notwendig und ließ auch keine Revision zu. Dagegen zog die Mieterin vor den Bundesgerichtshof (BGH).

BGH verlangt zweites Sachverständigengutachten

Und Karlsruhe gab der Mieterin tatsächlich Recht: Nach Auffassung der Bundesrichter hatten es sich die Vorinstanzen zu leicht gemacht. Ohne das angebotene Gutachten eines Neurologen zu den Auswirkungen eines  Umzugs auf die Prognose der Patientin einzuholen, hätte das Landgericht seine Entscheidung nicht treffen dürfen. Es habe damit das Gehörsrecht der Mieterin verletzt, stellte der BGH fest.

Es habe damit zu kurz gegriffen, nur die Gehbehinderung in seine Bewertung des Falls einzubeziehen und nicht weiter nachzuforschen, welche Folgen der Umzug für die gesundheitliche Entwicklung der Mieterin haben würde. Das muss das Landgericht jetzt mit einem entsprechenden Gutachten durch einen passenden Sachverständigen nachholen – der BGH hat den Fall zu diesem Zweck an die Vorinstanz zurückverwiesen. Damit bleibt Karlsruhe seiner Linie treu, bei Eigenbedarfskündigungen eine sehr genaue Prüfung des Einzelfalls zu verlangen.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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